Kompetenzen für die Arbeitswelt der Zukunft

Hintergrund

Unsere Arbeitswelt befindet sich im Wandel, insbesondere bedingt durch den rasanten technologischen Fortschritt und die zunehmende Digitalisierung in allen Lebensbereichen. Darüber hinaus steigt das Bewusstsein für die Notwendigkeiten einer ökologischen und nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise [3]. Diese Trendentwicklungen wirken sich wiederum auf die Arbeitswelt aus. Unternehmen sind gefordert, sich immer schneller an neue Anforderungen des Marktes anzupassen und bestenfalls neue Trendentwicklungen bereits vor ihrem Eintritt zu erkennen, um sich frühzeitig darauf einzustellen und somit wettbewerbsfähig bleiben zu können. Die Möglichkeiten der Digitalisierung führen in den Unternehmen zu vermehrtem Technikeinsatz und zur Entwicklung neuer, zunehmend auch datengetriebener, hybrider Geschäftsmodelle, um den Kund*innen neben den eigenen Produkten auch weitere datengetriebene Serviceleistungen zu bieten [6].

Inhalt

Diese Notwendig­keiten der Weiter­entwicklung der Geschäfts­felder und internen Prozesse wirken sich auch auf die Arbeit in den Unter­nehmen aus. Es entstehen neue Arbeits­aufgaben, bspw. im Zuge neuer daten­getriebener Geschäfts­modelle [8], die Arbeits­umgebung wird mehr und mehr geprägt durch digitale Techno­logien sowie Software (Abb. 1) und die Team­arbeit wird virtueller, um nur einige Beispiele zu nennen [10]. Diese Entwicklungen gehen mit neuen Kompetenz­bedarfen einher. Unter­nehmen und ihre Beschäf­tigten sind im Zuge dessen gefordert, sich an die neuen Rahmen­bedingungen und Veränderungs­prozesse anzupassen.

Dazu gehört ein hohes Maß an Flexibilität und Verände­rungs­bereit­schaft sowie die Fähigkeit, die eigenen Kompetenzen laufend »auf den Prüfstand« zu stellen, zu erneuern und zu erweitern. Kontinu­ierliche Entwicklungs­prozesse, Weiter­bildung sowie lebens­langes Lernen sind hier von wesent­licher Bedeutung [3]. Insbesondere werden technische und digitale Schlüssel­kompetenzen benötigt, um die Digitali­sierung in den Betrieben erfolgreich umzusetzen oder beispiels­weise künstliche Intelligenz, Big Data oder Robotik gewinn­bringend einsetzen zu können [7].

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Faktenblatt | 4 Seiten | PDF |

Begriffsbestimmung

Weinert 2001 definiert Kompetenzen wie folgt: »Bei Individuen verfügbare oder durch sie erlernbare kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften
und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können« [14]. Auf Grundlage dieser Definition beschäftigt sich das folgende Faktenblatt mit Kompetenzen, womit auch Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie persönlichen Eigenschaften einhergehen.

Fachlich-technische Kompetenzen

Der Deutsche Qualifikationsrahmen definiert den Begriff der Fachkompetenz wie folgt: »Fachkompetenz umfasst Wissen und Fertigkeiten. Sie ist die Fähigkeit und Bereitschaft, Aufgaben- und Problemstellungen eigenständig, fachlich angemessen, methodengeleitet zu bearbeiten und das Ergebnis zu beurteilen.« [1]
Anhand von Studien zu Kompetenzbedarfen für die Arbeitswelt zeigt sich, dass insbesondere die technologischen Kompetenzen
in Zukunft noch wichtiger werden. Branchenübergreifend werden sogenannte Tech-Spezialist*innen benötigt, die qualifiziert sind in der Entwicklung und dem Umgang mit den transformativen Technologien [7]. Die Digitalisierung und die Umsetzung von Industrie 4.0 erfordert Spezialist*innen in Unternehmen, die mit der Vernetzung und dem Aufbau von IT-Infrastrukturen vertraut sind. Die Vernetzung von Maschinen und die zunehmende Verfügbarkeit von Daten in Echtzeit bieten Potenziale für neue Wertschöpfung und produktbegleitende, datengetriebene Dienstleistungen (Smart Services). Um diese Potenziale voll ausschöpfen zu können, werden Fachkräfte benötigt, die ausgebildet sind hinsichtlich künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und Datenanalyse [3][4][7][13]. In
diesem Zusammenhang ist es auch wesentlich, die unternehmensinternen Daten zu schützen. Dafür braucht es Know-how
zur Datensicherheitstechnik [4][13]. Diese neuen Kompetenzbedarfe werden auch im AnGeWaNt-Projekt deutlich.
Smart Devices, Robotik und 3D-Druck bieten Möglichkeiten zur Optimierung von Prozessen und Steigerung von Effizienz und
Flexibilität in der Produktion [3][7]. Hierfür brauchen Unternehmen jedoch Know-how für Smart-, Hardware- und Robotikentwicklung
sowie deren Anwendung [7]. Zudem werden Kompetenzen zum Aufbau dezentraler Datenbanken mittels neuer Technologien
(z. B. Blockchain-Technologie) sowie Programmierung, Web- und Appdesign und die nutzerzentrierte Gestaltung von Software als zunehmend relevant eingestuft [2][7]. Dafür ist es auch notwendig, die späteren Nutzer*innen in die Entwicklung technischer Systeme einzubinden. Um dies zu gewährleisten und alle notwendigen Perspektiven einzubeziehen, werden in den Betrieben verstärkt interdisziplinäre und bereichsübergreifende Teams für Projektarbeiten etabliert. Hier treffen technische Abteilungen (z. B. Entwicklung und IT) mit den nichttechnischen Abteilungen (z. B. Vertrieb, Service und Marketing) zusammen [8]. Die Übermittlung technischer Inhalte in adressatengerechter Form kann in diesen Teams zu Herausforderungen und Missverständnissen führen. Hier werden Fachkräfte benötigt, die beide Sichtweisen verstehen und technische Inhalte leicht verständlich an die anderen Arbeitsbereiche vermitteln können [7][8]. Dies wird in der Studie von Kirchherr et al. 2019 als »Tech-Translation« bezeichnet (Abb. 2) [7].

Kompetenzen für die digitale Arbeitswelt

Nach Kirchherr et al. (2019) werden Kompetenzen für die digitale Arbeitswelt als digitale Grundfähigkeiten bezeichnet. Es handelt sich dabei um Fähigkeiten, die aufgrund der Digitalisierung und des Aufkommens vermehrter digitaler Arbeitsmittel sowie der Informationsbeschaffung im Internet benötigt werden [7].
Im Zuge der Digitalisierung und digitalen Transformationen von Unternehmen ergeben sich auf vielfache Weise Veränderungen in den Betrieben. Der Verzicht auf Papier bspw. setzt voraus, dass Beschäftigte mit zahlreicher Soft- und Hardware umzugehen wissen müssen, um ihrer Tätigkeit nachzugehen, auf Informatio- nen zuzugreifen und diese zu verwalten. Darüber hinaus findet zunehmend eine virtuelle Teamarbeit statt, die den adäquaten Umgang mit digitalen Kooperationstools und insgesamt die Fähigkeit zur virtuellen Kollaboration voraussetzt [7][13]. Es ist davon auszugehen, dass im Zuge der Coronapandemie und dem Erfordernis vieler Arbeitnehmer*innen im sogenannten Home- office zu arbeiten, die Relevanz der Kompetenzen virtueller Kollaboration und
Interaktion nochmals zugenommen hat.
Insgesamt steigen die Anforderungen an Digital- und Medien- kompetenzen der Beschäftigten in den Unternehmen, also der sichere Umgang mit digitaler Hardware, Endgeräten wie Computern, Smartphones, Tablets sowie mit Software oder Apps [3][5][9][13]. Darüber hinaus wird in zwei der Studien Informationskompetenz, auch bezeichnet als »Digital Literacy«, als eine wesentliche Kernkompetenz der Gegenwart und Zukunft herausgestellt. Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit, die für die Arbeit wesentlichen Informationen ausfindig zu machen und insbesondere die Qualität der Informationen sowie die Vertrauenswürdigkeit der Quellen beurteilen zu können [7][13].
Ethisches Verhalten in der digitalen Kommunikation im Internet, die Fähigkeiten zur Interaktion und zum Lernen mit digitalen
Mitteln werden in der Studie von Kirchherr et al. (2019) als weitere wesentliche Kompetenzen für die Arbeit in einer digitalisierten
Welt identifiziert [7]. In zwei der Studien wird die methodische Fähigkeit des agilen Arbeitens hervorgehoben, was Kirchherr et al. 2019 wie folgt definieren »In einem für ein Endprodukt verantwortlichen Team iterativ (»Rapid Prototyping«) genau das erarbeiten, was dem Kunden Mehrwert stiftet [7].«

 

Fazit und Handlungsoptionen

Die Arbeitswelt der Zukunft stellt Unternehmen und Beschäftigte vor neuartige Herausforderungen, die auch die Weiterentwicklung und Aneignung neuer Kompetenzen erfordern. Insbesondere liegt der Fokus auf der Erweiterung des technischen Know-hows und dem Umgang mit digitalen Arbeitsmitteln (Digital- und Medienkompetenzen).
Der Einzug neuer Technik sowie geplante Veränderungen rufen nicht selten Ängste, bspw. vor Arbeitsplatz- oder Statusverlust, bei den Beschäftigten hervor. Hier gilt es, die Mitarbeiter*innen frühzeitig und adressatengerecht über geplante Veränderungsmaßnahmen zu informieren und in die anstehenden Entwicklungen und Projekte einzubeziehen. Dies unterstützt die Akzeptanz von Veränderungen und Technikeinsatz und fördert zugleich Lerneffekte sowie interdisziplinäre Zusammenarbeit. Es gilt hierbei auch die Neugier der Beschäftigten für neue Technik und Innovationen zu wecken. Es hat sich in Unternehmen bewährt, die Mitarbeiter*innen in Entwicklungsprozesse einzubeziehen, sie experimentieren zu lassen und somit Spaß an dem Entdecken der Nutzereigenschaften und Möglichkeiten von Technik zu wecken. Darüber hinaus eignen sich die Anwendung differenzierter, adressatengerechter Lernformen und eine Mischung aus analogen und digitalen Lernformaten für die Kompetenzentwicklung.
Eine Reflexion und Überprüfung der vorhandenen und notwendigen Kompetenzen können Mitarbeiter*innen bspw. im Dialog mit Führungskräften vollziehen. Dazu gehört auch, sich und seine Kompetenzen hinsichtlich der Erfüllung von Arbeitsaufgaben regelmäßig zu reflektieren, auf den Prüfstand zu stellen und kritisch zu hinterfragen, ob die vorhandenen Kompetenzen zukünftig ausreichen werden oder weiteres Know-how benötigt wird. Ein hohes Maß an Eigenverantwortung für die eigene Beschäftigungsfähigkeit ist hierfür die Voraussetzung. Eine Unterstützung können die Mitarbeiter*innen durch ein regelmäßiges und konstruktives Feedback durch ihre Führungskräfte erfahren. Gemeinsam können Wege und Strategien zur Weiterentwicklung im Sinne des Unternehmens definiert werden [11][12].

Ihre Ansprechpartnerin

Nicole Ottersböck Wissenschaftliche Mitarbeiterin Fachbereich Arbeits- und Leistungsfähigkeit ifaa

Dipl.-Soz. Wiss.
Nicole Ottersböck

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Telefon: +49 211 542263-25

Literatur

[1] Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (o.J.) Glossar In: Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen. www.dqr.de/content/60.php Zugegriffen: 09. September 2021

[2] Eilers S, Möckel K, Rump J, Schabel F (2017) HR-Report 2017.Schwerpunkt Kompetenzen für eine digitale Welt. Eine empirische
Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE im Auftrag von Hays für Deutschland, Österreich und die Schweiz. In:
Hays AG Institut für Beschäftigung und Employability IBE (ed.) (Hrsg) www.hays.de/documents/10192/ 118775/Hays-Studie-HR-Report-2017.pdf/. Zugegriffen: 28. Mai 2021

[3] Franken S, Prädikow L, Vandieken M (2019) Fit für Industrie 4.0? Ergebnisse einer empirischen Untersuchung im Rahmen desForschungsprojekts »Fit für Industrie 4.0«. Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung (e.V.i.L.). Hartmut Hirsch-Kreinsen, Anemari Karacˇic´ (Hrsg.) www.fgw-nrw.de/fileadmin/user_upload/FGW-Studie_I40-18_DvA-18_Franken_et_al._komplett-web.pdf. Zugegriffen: 16. Juni 2021

[4] Fraunhofer Acadamy (Hrsg.) (o.J.) Digitale Kompetenzen — Anspruch und Wirklichkeit. Ein Executive Summary der FraunhoferAcademy. www.academy.fraunhofer.de/content/dam/academy/de/documents/pressemitteilungen/Externe_Studie/Executive%20Summary_Final.pdf. Zugegriffen: 16. Juni 2021

[5] Genner S (2017) IAP Studie 2017. Der Mensch in der Arbeitswelt 4.0. Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. In:Institut für Angewandte Psychologie. digitalcollection.zhaw. ch/bitstream/11475/1861/1/2017_Genner_IAP_Studie_ZHAW.pdf.Zugegriffen: 16. Juni 2021

[6] Kempermann H, Lichtblau K (2012) Definition und Messung von hybrider Wertschöpfung. IW-Trends 39(1):1–20. www.iwkoeln.de/fileadmin/publikationen/2012/69977/IW-Trends_1_2012_Definition_hybride_Wertschoepfung.pdf. Zugegriffen: 28. Mai 2021

[7] Kirchherr J, Klier J, Lehmann-Brauns C, Winde M (2019) Future Skills: Welche Kompetenzen in Deutschland fehlen. In: Stifterverband für die deutsche Wissenschaft (Hrsg.) Future Skills Diskussionspapier 1 I 4. www.future-skills.net/analysen/future-skills-welche-kompetenzen-in-deutschland-fehlen. Zugegriffen: 28. August 2020

[8] Ottersböck N, Frost M, Jeske T, Hartmann V (2020) Systematischer Kompetenzaufbau als Erfolgsfaktor zur Etablierung hybriderGeschäftsmodelle. In: GfA (Hrsg) Digitale Arbeit, digitaler Wandel, digitaler Mensch? Bericht zum 66. Kongress der Gesellschaft fürArbeitswissenschaft vom 16.–18. März 2020, GfA-Press, Dortmund, Beitrag C.7.4

[9] Petrich J, Bühler J, Pols A (2018) Weiterbildung für die digitale Arbeitswelt. Eine repräsentative Untersuchung von Bitkom Research im Auftrag des VdTÜV e.V. und des Bitkom e.V. www.bitkom.org/sites/default/files/2018-12/20181221_VdTU%CC%88V_Bitkom_Weiterbildung_Studienbericht.pdf. Zugegriffen: 16. Juni 2021

[10] Placke B, Schleiermacher T (2018) Anforderungen der digitalen Arbeitswelt. Kompetenzen und digitale Bildung in einer Arbeitswelt 4.0. Auftraggeber: Bundesverband der Personalmanager e.V. (BPM). IW Consult. www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Gutachten/PDF/2018/Gutachten_Anforderungen_Digitale_Arbeitswelt.pdf. Zugegriffen 16. Juni 2021

[11] Sandrock S (2020) Den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt mit Eigenverantwortung begegnen. Arbeitsmedizin Sozialmedizin Umweltmedizin 55 | 10.2020:602–604

[12] Sandrock S, Ottersböck N, Frost M, Stahn C (2020) Eigenverantwortung als Weg, neue Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu meistern?. In: GfA (Hrsg) Digitale Arbeit, digitaler Wandel, digitaler Mensch? Bericht zum 66. Kongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft vom 16.–18. März 2020, GfA-Press, Dortmund, Beitrag A.3.5

[13] Van Nuys, A, Willson-Tobin P, Kusumuto T, Moot L, Petrone P, Lefkowitz R, Maples L, Buison B, Gomes E (2021) LinkedIn Learning’s 5th Annual Worksplace Learning Report. 2021 / Skill Building in the New World of Work. LinkedIn (Hrsg) learning.linkedin.com/resources/workplace-learning-report. Zugegriffen: 21. Juni 2021

[14] Weinert, Franz E. (2001) Leistungsmessungen in Schulen. Julius Beltz GmbH & Co. KG, Weinheim

 

 

Die vorgestellten Ergebnisse sind Teil des Forschungsprojekts »AnGeWaNt — Arbeit an geeichten Waagen für hybride Wiegeleistungen an Nutzfahrzeugen« (FKZ: 02L17B050). Wir danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) für die Förderung dieses Projekts. Außerdem danken wir dem Projektträger Karlsruhe (PTKA) für die Unterstützung des Projekts. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin.