Intelligent Process Automation (IPA)
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Unter dem Begriff »Intelligent Process Automation« (IPA) versteht man eine Kombination digitaler Technologien zur Prozessautomatisierung im IT-Bereich. IPA nutzt Robotic Process Automation (RPA) als Basis und erweitert diese um intelligente Technologien, welche der RPA die Eigenschaften von Künstlicher Intelligenz (KI) verleihen.
Dieses Faktenblatt informiert über die Grundlagen der IPA, zeigt Einsatzgebiete und aktuelle Trends zu RPA und IPA auf, beleuchtet Potenziale und Herausforderungen und gibt einen kurzen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen.
Grundlagen
Unter dem Begriff »Intelligent Process Automation« (IPA) versteht man eine Kombination digitaler Technologien zur Prozessautomatisierung im IT-Bereich.
IPA nutzt Robotic Process Automation (Abgekürzt: RPA) als Basis und erweitert diese um intelligente Technologien, welche der RPA die Eigenschaften von Künstlicher Intelligenz (KI) verleihen. RPA arbeitet wie ein virtueller Roboter, welcher repetitive Routinearbeit in IT-Umgebungen übernehmen kann und dabei dieselben Zugänge wie Mitarbeitende nutzt. RPA benötigt klare Regeln und gleichförmig strukturierte Daten innerhalb der zu automatisierenden Prozesse. Mehr Informationen zu RPA finden Sie im ifaa-Faktenblatt Robotic Process Automation (RPA) – Mensch-Roboter-Kollaboration in indirekten Bereichen.
Mit den intelligenten Technologien verfügt IPA über »kognitive Kapazität« und Lernfähigkeit. Deshalb kann sie ein breiteres Aufgabenspektrum durch verbesserte Datenverarbeitung und -analyse autonom bearbeiten. IPA kann somit dieselben Prozesse wie RPA automatisieren und noch mehr.
IPA ist in der Lage, Daten selbstständig zu erkennen und zu interpretieren. Deshalb kann sie auch Prozesse mit unstrukturierten Daten weitgehend autonom bearbeiten. Diese Flexibilität ermöglicht die Automatisierung komplexerer Aufgaben, bei denen eine RPA mit statischer Kodierung an ihre Grenzen stößt. Typische Merkmale von RPA und IPA sind in Abbildung 1 gegenübergestellt. 50 % der RPA-Projekte scheitern daran, dass Unternehmen die Komplexität von Prozessen zu hoch oder die Datenlage und Datenstrukturen unterschätzen. Sie sind damit für den RPA-Einsatz ungeeignet.
Intelligente Technologien im Einsatz
IPA kombiniert RPA mit intelligenten Technologien, welche typisch für KI sind, Abbildung 2. Diese Technologien werden entweder einzeln oder kombiniert in IPA-Softwarepakete integriert. Die Technologien beeinflussen die Leistungsfähigkeit der IPA und die Möglichkeiten der effizienten Prozessabwicklung in der digitalen Prozesslandschaft.
Die Vielfalt an eingesetzten Technologien wächst stetig. Die nachfolgend aufgeführten Beispiele sind nur eine Auswahl.
OPTICAL CHARACTER RECOGNITION (OCR), ermöglicht einer RPA, beispielsweise Text aus Dokumenten (z. B. PDFs) zu extrahieren. OCR eröffnet damit der RPA die Fähigkeit der aktiven Wahrnehmung. Allerdings ist OCR darauf limitiert, Texte lediglich zu lesen und bietet keine Interpretations- und Lernfähigkeit. Dementsprechend wurde OCR weiterentwickelt zur sogenannten INTELLIGENT CHARACTER RECOGNITION (ICR), welche neben dem reinen Lesen eine Interpretation von Schriftmustern und eine Kontexterkennung zulässt. Dies ist eine Möglichkeit, wie Algorithmen, die typisch für MASCHINELLES LERNEN (ML) sind, in RPA implementiert werden. Die IPA lernt mithilfe dieser Algorithmen die Interpretation komplexer Daten.
Dabei ist ICR nur eine von vielen Möglichkeiten, die Wahrnehmung sowie Lernfähigkeit und damit das Aufgabenspektrum von RPA zu erweitern. Weitere Möglichkeiten bieten die Verarbeitung von Bildern, Videos und Audioquellen.
So wird IPA auch mit NATURAL LANGUAGE PROCESSING (NLP) in Zusammenhang gebracht, wodurch IPA-Anwendungen die Fähigkeit erhalten, menschliche Sprache, gesprochen und geschrieben, zu verstehen.
Mithilfe der komplementären Technologie »NATURAL LANGUAGE GENERATION« (NLG) kann IPA sogar selbst natürlich klingende Texte erstellen. Auf diese Weise können beispielsweise intelligente Chatbots entstehen, welche mit Kunden aktiv kommunizieren und deren Anliegen bearbeiten können.
Aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten der Datenerfassung werden IPA-Anwendungen auch gern mit BPM-SYSTEMEN (BUSINESS PROCESS MANAGEMENT) kombiniert, um Optimierungen in der IT-Prozesslandschaft zu ermöglichen. Um digitaler Prozessautomatisierung mit IPA ein starkes Fundament zu geben, ist es wichtig, die dafür vorgesehenen Prozesse zu kennen und zu optimieren. Oft sind die Anzahl der Prozesse und die großen Mengen an Daten bereits große Herausforderungen. Die KI-Anwendungen PROZESS-MINING und PROZESS-MONITORING können Anwender dabei unterstützen, aus den Daten Prozesse oder Prozessschritte zu identifizieren, die für den RPA- oder IPA-Einsatz besonders geeignet sind.
Algorithmen des Prozess-Mining untersuchen historische Prozessdaten aus Ereignisspeichern nach Mustern, Trends sowie Auffälligkeiten, z. B. Wartezeiten oder Engpässe. Prozess-Mining verfügt zudem über die Fähigkeit, den Prozess anhand historischer Daten zu visualisieren. So kann der bestehende Prozess von der Software visuell aufbereitet und nachvollziehbar gemacht werden. Ebenso haben hochwertige Prozess-Mining-Anwendungen Funktionen, um optimierte Prozesse auf Basis der untersuchten Daten zu erstellen und zu visualisieren.
Beim Prozess-Monitoring hingegen werden Prozessdaten in Echtzeit erfasst, um Prozesse während der Ausführung analysieren zu können. So können die Leistung von Prozessen jederzeit überwacht und erforderliche Anpassungen an den Prozessen vorgenommen werden, um Engpässen schnell zu begegnen. Ebenfalls lassen sich so auch Faktoren identifizieren, welche die Zuverlässigkeit des Prozesses beeinträchtigen. Prozess-Monitoring-Programme besitzen auch Funktionen zur Trendanalyse.
KI-Technologien in IPA-Lösungen erfordern große Mengen an Daten, um für die Anwendung »trainiert« zu werden. Dieser zusätzliche Aufwand muss dem Nutzen gegenübergestellt werden.
Aktuelle Trends zu RPA und IPA
Nach Studien der letzten drei Jahre befinden sich IPA und die eben genannten intelligenten Technologien auf dem Vormarsch. Die Kerntechnologie RPA ist nach einer Studie von Deloitte aus dem Jahre 2020 bei 78 % der befragten Unternehmen bereits im Einsatz [2]. Eine weitere Studie der IDG aus dem Jahr 2021 [3] kommt zu einem sehr ähnlichen Ergebnis. 75 % der befragten Unternehmen haben demnach RPA im Dauereinsatz. Die Hälfte der Nutzer in dieser Studie sind zudem Mittelständler.
Im Jahre 2015 war RPA noch eine Neuheit und nur 13 % der Befragten berichteten, Investitionen in RPA zu planen [4]. Diese Entwicklung der letzten Jahre zeigt, wie schnell Werkzeuge für die Prozessautomatisierung Einzug in die Unternehmenswelt halten.
Die Unternehmen sehen IPA als Fortschritt der Prozessautomatisierung. Die Agilität von Unternehmen, also die Adaptionsfähigkeit an die Marktentwicklung sowie die Innovationsfähigkeit soll nach der Meinung von 76 % der Befragten einer Studie von IDC [5] zunehmen. Die Automatisierungsprojekte sollen dabei insbesondere folgenden Nutzen für die Unternehmen bringen, Abbildung 3.
Für IPA wird RPA häufig mit OCR oder ICR kombiniert. Die Studie von Deloitte [2] beschreibt, dass OCR/ICR bereits bei 51 % der befragten Unternehmen implementiert ist. 27 % der Befragten planen, OCR/ICR-basierte Anwendungen in ihrem Unternehmen einzuführen.
Für die unterstützenden Technologien zur Analyse digitaler Prozesse, Prozess-Mining und Prozess-Monitoring gilt: Noch relativ wenige haben es, aber viele wollen es. Prozess-Mining wurde von 20 % der Befragten bereits eingesetzt, weitere 42 % planen dies in der nahen Zukunft [2]. Die noch geringe Einsatzquote ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass der Erfolg von Prozess-Mining von der Qualität der Daten abhängt, welche in der zu prüfenden IT-Struktur abrufbar sind. Oftmals ist eine Optimierung der IT-Struktur zugunsten der Datenqualität nötig, welche aufwendig und kostspielig ausfallen kann.
Prozess-Monitoring wird bereits in 33 % der befragten Unternehmen eingesetzt [2]. Die Gründe für eine Nicht-Implementierung liegen in der Datensicherheit. Prozess-Monitoring-Systeme könnten eine Leistungskontrolle von Mitarbeitenden ermöglichen. Bei der Einführung und Nutzung ist deshalb eine gute Kommunikation und Abstimmung zwischen den Betriebsparteien erforderlich.
44 % der Befragten planen, Prozess-Monitoring in den nächsten drei Jahren in ihr Unternehmen einzubringen, um ihre Prozessoptimierung und -automatisierung zu unterstützen [2].
Potenziale und Herausforderungen
IPA bietet eine große Bandbreite an Funktionen und hat daher das Interesse vieler Unternehmen geweckt. Jedoch hat IPA möglicherweise weitreichende Auswirkungen auf die Organisation. Einsatz und Einführung von IPA sollten deshalb sorgfältig geplant werden.
Änderungen der Arbeitsprozesse und -aufgaben sowie deren Auswirkungen auf die gesamte Organisation müssen analysiert und beachtet werden. Es ist wichtig zu verstehen, welche Potenziale der Einsatz von IPA für die eigene Organisation birgt, aber auch welche Herausforderungen damit verbunden sind, bevor man sich für eine Implementierung entscheidet.
Das wichtigste Kriterium für die Einführung einer IPA-Lösung ist das Ergebnis der Kosten-Nutzen-Vergleiche. Dabei sollten nicht nur monetäre Aspekte berücksichtigt werden. Mit IPA sollen, wie mit jeder Digitalisierungsmaßnahme, langfristige Wettbewerbsvorteile erzielt werden.
Da IPA-Anwendungen auf RPA basieren, ist im Idealfall keine große Umstellung der IT-Infrastruktur notwendig. Sie können mit bestehenden IT-Anwendungen arbeiten und nutzen dieselben Schnittstellen wie Mitarbeiter es tun würden.
An monetären Aufwand kommen auf das Unternehmen insbesondere Kosten für die Entwicklung, Konfiguration, Installation und den Betrieb zu. IPA-Lösungen sind nur selten Standardlösungen und müssen daher häufig für den Anwendungsfall vom Anbieter oder Anwender zugeschnitten werden. Dies kann, je nach Umfang der benötigten Lösung und Komplexität der Aufgaben, Kosten von einigen Hundert bis zu mehreren Hunderttausend Euro verursachen. Neben Lizenzkosten kommen eventuell weitere Kosten für die Instandhaltung und Pflege sowie für die Schulung von Personal, etc. dazu.
Die Entwicklung und Implementierung eines solchen Lösungspaketes erfordern auch personelle Ressourcen im Unternehmen. Die für die Prozesse zuständigen Mitarbeiter werden benötigt, um ihre Erfahrungen in die Planung und Implementierung der IPA einfließen zu lassen. Die IT-Abteilung hat oft zusätzlichen Aufwand. Sie muss häufig die Systeme betreuen und pflegen.
In diversen Studien berichten Befragte von Kosteneinsparpotenzialen in unterschiedlicher Höhe (s. Abbildung 5), aber die Potenziale gehen weit über monetäre Aspekte hinaus. Zusätzlicher Nutzen kann unter anderem durch Kundenzufriedenheit, neue und bessere Prozessdaten sowie Wachstumschancen entstehen. Darüber hinaus spielen auch Mitarbeiterentlastung und Steigerung der Produktivität eine wichtige Rolle (Abbildung 4). Wer also ausschließlich auf das Geld schaut, übersieht viel Potenzial.
Alle Aspekte auf Kosten- und Nutzenseite, monetär bewertbar oder nicht, müssen berücksichtigt werden, um den wahren Nutzen eines IPA-Projektes zu bestimmen.
Durch ihre Komplexität ist IPA gewöhnlich teurer als klassisch programmierte RPA. Deshalb muss das zusätzliche Potenzial von IPA auch gut genutzt werden. Dazu müssen die Ziele der Automatisierung zu Beginn des Vorhabens abgestimmt und klar beschrieben werden. Wenn ein Prozess mit IPA automatisiert wird, welcher auch mit einer einfachen, günstigeren RPA automatisiert werden könnte, verschwendet das Unternehmen Geld und wichtige personelle Ressourcen.
Ausblick
Die technischen Ausführungen von IPA-Lösungen können sehr vielfältig sein. Der IPA-Markt wächst derzeit stetig. Von 2023 bis 2030 wird eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 12,68 % prognostiziert [9]. In absoluten Zahlen: Der globale IPA-Markt hatte im Jahr 2023 ein Marktvolumen von 14,42 Milliarden US-Dollar und soll laut Prognosen im Jahr 2030 auf 29,52 Milliarden US-Dollar ansteigen.
IPA ist somit eine wichtige Zukunftstechnologie, deren Entwicklung und Einsatzmöglichkeiten Unternehmen kontinuierlich beobachten und prüfen sollten.
Insbesondere für Prozesse, in denen RPA an ihre Grenzen stößt, ist zu empfehlen, die Möglichkeiten einer IPA-Anwendung zu untersuchen.
Literatur
[1] McHugh B (2024). Here’s Why RPA Fails to Meet IT Expectations. Abgerufen am: 04.03.2024 unter https://www.advsyscon.com/blog/why-rpa-fails-robotic-process-automation
[2] Deloitte (2020). Automation with Intelligence – Pursuing organisation-wide reimagination. Abgerufen am 25.01.2023 unter: https://www2.deloitte.com/de/de/pages/innovation/contents/intelligent-automation.html
[3] IDG (2021). Studie Robotic Process Automation 2021. Abgerufen am 26.01.2024 unter: https://leimpek-beratung.de/wp-content/uploads/2021/10/IDG_UiPath_RPA_Studie_2021.pdf
[4] Deloitte (2015). The robots are coming – Deloitte Insight Report. Abgerufen am 01.02.2023 unter: https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/no/Documents/technology/the-robots-are-coming-deloitte-prosessautomatisering.pdf
[5] KPMG (2017). How Much Is Intelligent Automation Saving You? (Blog in Forbes). Abgerufen am 11.03.2024 unter https://www.forbes.com/sites/kpmg/2017/09/21/how-much-is-intelligent-automation-saving-you/?sh=1dacad92604c
[6] WorkFusion (2021). Benefits of Intelligent Automation: IA vs RPA. Abgerufen am 13.03.2024 unter https://www.workfusion.com/blog/benefits-of-intelligent-automation-ia-vs-rpa/#:~:text=In%20short%3A%20Intelligent%20Automation%20delivers,not%20dramatically%20improve%20business%20outcomes
[7] Laiye (2022). How Intelligent Automation Helps Businesses Beat Rising Costs. Abgerufen am 13.03.2024 unter https://laiye.com/en/blog/how-intelligent-automation-helps-businesses-beat-rising-costs
[8] Deloitte (2019). Automation with intelligence – Reimagining the organisation in the ›Age of With‹. Abgerufen am 13.03.2024 unter https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/tw/Documents/strategy/tw-Automation-with-intelligence.pdf
[9] Market Research Future (2023). Intelligent Process Automation Market. Abgerufen am 05.04.2024 unter https://www.marketresearchfuture.com/reports/intelligent-process-automation-market-6065
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